RNA-Sequenzierung

Jede Zelle eines Organismus hat ein identisches Erbgut (=Genom). Allerdings verwenden die unterschiedlichen Zellen immer nur einen Teil ihrer Gene, je nachdem welche Rolle die Zelle im Organismus übernimmt. Zum Beispiel haben Muskelzellen mechanische Eigenschaften, während Zellen der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren. Aber auch in welchem Entwicklungsstadium sich die Zelle befindet, oder selbst welche Tageszeit gerade herrscht, kann das An- und Abschalten einzelner Gene beeinflussen.

Einzelne Zellen eines Organismus können sich daher in ihrer Genexpression (=Transkriptom), also der Übertragung von Erbinformation in für die Zelle oder den Organismus verwertbare Produkte (Metabole), stark unterscheiden. Genexpression ist die Synthese von Proteinen aus der DNA. Die Genexpressionsanalyse oder auch Transkriptom-Analyse misst, welche Gene ein- oder ausgeschaltet sind. Methoden der Genexpressionsanalyse messen die Konzentration der sogenannten messenger (m)RNA (zu Deutsch: Boten-Ribonukleinsäure). Eine mRNA ist eine einzelsträngige Ribonukleinsäure (RNA), die die genetische Information der DNA in den Aufbau eines bestimmten Proteins in einer Zelle übersetzt.

Für eine Genexpressionsanalyse werden die zu untersuchenden Zellen oder Organismen vorab verschiedenen experimentellen Bedingungen (wie z.B. höhere und niedrigere Temperaturen) ausgesetzt, um die unterschiedlich exprimierten Gene im experimentellen Kontext zu vergleichen. Die Genexpressionsanalyse folgt also der Frage, wie sich die mRNA-Konzentration durch Umwelteinflüsse verändert. Äußerst wichtig bei solchen Experimenten ist die ausreichende Anzahl an technischen als auch biologischen Replikaten, also mehrere identische Wiederholungen pro experimentelle Bedingung, um Zufallseffekte möglichst sicher ausschließen zu können.

Nach einem Experiment wird aus den zu untersuchenden Organismen/Geweben/Zellen zunächst die RNA isoliert. Da RNA ein im Vergleich zu DNA sehr instabiles Molekül ist, das sich rasch bei Raumtemperatur abbaut, muss dieser Arbeitsschritt optimalerweise direkt nach dem Experiment geschehen, oder die Proben in Flüssigem Stickstoff schockgefroren werden. Nach der RNA-Isolierung erfolgt die Genexpressionsanalyse dann häufig durch das sogenannte RNA-Seq, oder auch „Gesamt-Transkriptom-Shotgun-Sequenzierung“ genannt. Dabei wird die Nukleotidabfolge der RNA mittels Hochdurchsatzmethoden (Next-Generation Sequencing) bestimmt. Hierfür wird die RNA enzymatisch mit einer reversen Transkriptase zunächst in cDNA zurückübersetzt, damit im Anschluss eine DNA-Sequenzierung (z.B. auf einem Illumina Sequenzierer) durchgeführt werden kann. Im Anschluss werden die erhaltenen Sequenzen mit einem Referenzgenom der entsprechenden Art (falls vorhanden) oder Gen-Datenbanken abgeglichen, um die Sequenzen den entsprechenden Genen zuzuordnen. Die Sets an Genen der Replikate unter den verschiedenen experimentellen Bedingungen können dann statistisch miteinander verglichen werden, um die Gene zu identifizieren, die gegebenenfalls von der zu untersuchenden Umweltbedingung beeinflusst werden.